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  • AutorenbildOliver Rutz

Die Gondel als Zwischenlager *** Ein Gewitter über der Gondel

17:30 Uhr

Da ich mich nicht vom Ort bewegen kann, bin ich für Mitstudierende, welche auf der Suche nach mir sind, immer und ohne Probleme auf dem Campus zu finden (Zitat einer Mitstudentin: "Eine/n Kaffeepartner:in muss ich mir momentan nicht suchen, da sowieso immer jemand in der Gondel im Innenhof da ist").


Ein befreundeter Lautenist nutzte diese Situation just und fragte mich, ob ich auf seine Harfe aufpassen kann, während er mir und sich selber Abendessen organisiert. Da ich nun aber einer allfälligen Harfendiebin oder einem allfälligen Harfendieb nicht hinterherrennen könnte, nutzten wir den reichlichen Platz in der Gondel als Zwischenlager für seine Harfe.


Für die nächsten Minuten habe ich also eine Mitfahrerin: Eine hochmittelalterliche, romanische Harfe nach französischer(?) oder englischer(?) Bauart.


***


20:30


Ein Gewitter zieht über die Gondel.


Der Regen rauscht als granularer Teppich. Dies erinnert mich in Kombination mit dem Gewittergrollen an Sturmnächte in hochalpinen Biwakschachteln, die aus nicht viel mehr als Wellblech konstruiert sind. Das Vogelgezwitscher, welches ab einer Höhe von 3000 Metern über Meer eher selten wird, wirkt in diesem Teppich als paradoxer Störklang und die Geräusche des regulären Lebens auf dem Campus, welches auch zu fortgeschrittener Stunde noch vor sich geht, wirken als beinahe schon avantgardistischer Klangtypus.


Als eine Mitstudentin spontan neben der Gondel ihr Abendessen gegessen hat, funktionierte ich den Sonnenschirm spontan zum Regenschirm um.

Sie äusserte die Theorie, dass das eigentliche Experiment - die eigentliche Performance - darin besteht, dass Personen auch trotz Regen zur Gondel kommen. Ein mir sehr willkommener Konzeptwechsel!


Als ich wieder alleine war, stand ein Problem an: Ich wollte keinen tropfnassen, drei Meter grossen Schirm in die Gondel nehmen.

Lösung war, dass ich den Schirm zusammenklappte, mit der Spitze nach unten in den Türrahmen stellte und die gesamte Konstruktion mit einer Eisenkette, welche die Gondel normalerweise verschliesst, und einem Karabiner befestigte.


Neben den zwei Karabinern, welche meine Hausschuhe und meine Wasserflasche in die Gondel transportierten, gibt es noch ein weiteres, viel naheliegenderes Objekt, welches ebenfalls aus eigentlich anderen Gründen den Weg in die Gondel gefunden hat, sich jetzt aber als äusserst nützlich erweist. Eine Lampe.

Ich wäre ohne Lampe in die Gondel.

Ursprünglich war die Lampe Teil meiner Packliste, um sie über Nacht, während ich nicht in der Gondel sein darf, brennen zu lassen, damit die Gondel immerhin etwas belebt hinterlassen wird. Sie dient mir nun in den letzten Minuten des ersten Tages als treue Partnerin und Mäzenin, welche mir die Abendlektüre grosszügigerweise ermöglicht.










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